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Richtigstellung zu gängigen Fehlinterpretationen des Urheberrechtsgesetzes

oder: Wie kompetent sind BKA und BSI?

Was weiter unten folgt, ist eine Mail an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, die ich verfasst habe, nachdem ich auf der BSI-Website einige weit verbreitete Fehlinterpretationen verschiedener UrhG-Paragraphen gefunden hatte.

Ergebnis der Mail: Die UrhG-Interpretation stammt nicht vom BSI, sondern vom Bundeskriminalamt. Die Mail wurde an einen dort beschäftigten Rechtsexperten weitergeleitet, nach Rücksprache mit diesem sieht das BSI aber derzeit keinen inhaltlichen Änderungsbedarf! Nicht mal die unabhängig vom Urheberrechtsgesetz falschen Deppenapostrophe wurden beseitigt.

Ziel dieser Seite? Leuten, die mit Google nach BSI-Kompetenz oder BKA-Kompetenz suchen, einen Denkansatz zu liefern. Darüber hinaus: Verewigung im BSI-Log – Stiller Protest regelt.

Mail ans BSI (nachträglich sparsam HTML-ausgezeichnet)

Sehr geehrte Damen und Herren,

beim Stöbern im Web bin ich auf Ihre Interpretation des Urheberrechts gestoßen und habe einige Fehler gefunden, zum großen Teil offensichtliche.

Da das BSI Gerüchten zu Folge von manchen Leuten als Kompetenz im IT-Bereich angesehen wird, und auch Journalisten die Meldungen gerne unreflektiert übernehmen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die Seiten nochmal überarbeiten würden. Die jetzige Fassung würde besser unter http://www.bsi-fuer-industrie.de/ passen, da die Aussagen zum Teil äußerst realitätsfern, aber immer im Sinne der Rechteverwerter ausfallen.

Fehler auf http://www.bsi-fuer-buerger.de/recht/12_0403.htm:

Durch die Änderung des Urheberrechtsgesetzes wird zudem nun klargestellt, dass für die Vervielfältigung keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet werden darf. [...] Demnach sollen nur Kopien zulässig ein, die von legal erworbenen Vorlagen hergestellt wurden.

Für das Kopieren von Musik und Dateien, wie z. B. Filmen, bedeutet dies, dass das Kopieren einer Musik-CD, oder einzelner darauf enthaltener Musiktitel, sowie von Dateien nur dann zulässig ist, wenn man zum Kopieren eine entsprechende Original-CD verwendet.

Wenn der Gesetzgeber schreibt, es reiche aus, keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage zu verwenden, dann kann man getrost davon ausgehen, dass er genau das meint. Es ist also keineswegs erforderlich, ein Original als Vorlage zu nehmen, man kann ebenso gut eine Kopie benutzen. Dabei ist es auch nicht wichtig, ob diese rechtswidrig hergestellt wurde oder nicht. Es genügt, wenn die rechtswidrige Erstellung nicht offensichtlich ist. Dies trifft bei nahezu allen Vorlagen zu.

Eine weitere Schranke wird durch den neu hinzugefügten § 95 a I UrhG geschaffen. Hiernach dürfen wirksame technischen Maßnahmen zum Schutz eines Werkes nicht mehr ohne Zustimmung des Rechtsinhabers umgangen werden.

Auch die Auswirkungen dieses Paragraphen sollte man nicht überbewerten, da das Gesetz strenge Anforderungen an wirksame technische Maßnahmen stellt. § 95a UrhG besagt: Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber ... unter Kontrolle gehalten wird.

Für die Praxis bedeutet dieser neu eingefügte § 95 a UrhG eine erhebliche rechtliche Hürde, da mittlerweile der größte Teil der CD's und DVD's durch einen Kopierschutz geschützt wird.

Die erhebliche rechtliche Hürde betrifft allenfalls die Rechteverwerter, die daran scheitern, eine wirksame technische Maßnahme im Sinne des Gesetzes zu finden. Ein netter Aufkleber, ein paar Defekte oder eine Verschlüsselung mit Schlüsseln, die bereits bekannt sind (CSS), reichen zum Glück nicht aus.

Beim Kopierschutz fehlen daher die Anführungszeichen.
Der Plural von CD ist übrigens CDs und auch die DVDs kommen ohne Apostroph aus.

Fehler auf http://www.bsi-fuer-buerger.de/recht/12_0404.htm:

Auch hier darf man für den privaten Gebrauch von einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage Kopien anfertigen und z. B. als MP3 auf dem Computer speichern. Es ist aber nicht erlaubt, bei diesem Vorgang eine vorhandene technische Maßnahme (meistens den Kopierschutz) zu umgehen.

Hier haben Sie das alles entscheidende Wörtchen wirksam vergessen.
Beim Kopierschutz fehlen die Anführungszeichen (siehe oben).

Außerdem wird die Kopie auch noch in dem Moment unzulässig, in dem sie im Internet freigegeben wird. Denn damit wird sie einer Vielzahl von Personen zugänglich und der geforderte ausschließliche private Gebrauch (§ 53 I des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, UrhG) ist nicht mehr gegeben.

In § 53 I geht es um Vervielfältigungen und nicht um Kopien. Eine Vervielfältigung ist ein Vorgang, eine Kopie das Ergebnis. Ob die Erstellung einer Kopie (also die Vervielfältigung) zulässig war oder nicht, ändert sich später nicht mehr. Entweder die Vervielfältigung war zulässig, oder sie war es nicht. Wer eine legal erstellte Kopie ohne Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet freigibt, macht sich zwar strafbar (UrhG § 106), die Kopie bleibt jedoch legal erstellt.

Befand man sich beim Herunterladen von Musikstücken und Dateien bei sog. Internet-Musik-Tauschbörsen noch bis vor kurzem in einer rechtlichen Grauzone, so ist dies jetzt nicht mehr zulässig (durch die Änderung des § 53 I UrhG).

Wenn etwas eindeutig nicht verboten ist, dann nennt man es gewöhnlich erlaubt, nicht aber rechtliche Grauzone oder nicht mehr zulässig. Herunterladen aus Tauschbörsen darf man auch weiterhin, wenn man dabei keine offensichtlich rechtswidrig erstellten Vorlage(n) benutzt. In Tauschbörsen kann man nicht beurteilen, ob die Dateien rechtswidrig erstellt wurden oder nicht, daher ist es nicht offensichtlich. Man kann zwar fast immer davon ausgehen, dass die Dateien rechtswidrig angeboten werden, doch das ist für das Kopieren irrelevant.

Ein anderer Hindernisgrund liegt noch in der Funktionsweise der sogenannten Internettauschbörsen, bei denen sich Internetnutzer frei Musik, Filme und andere Dateien von den Computern anderer Internetnutzer, die diese Dateien freigegeben haben, herunterladen können. Diese heruntergeladenen Dateien werden dann nämlich in einen Ordner auf den eigenen Rechner kopiert, der nach dem Prinzip dieser Internettauschbörsen wiederum für alle anderen Internetnutzer freigegeben ist.

Dies ist kein anderer Hindernisgrund, sondern der einzige.

Fehler auf http://www.bsi-fuer-buerger.de/recht/12_0405.htm:

Es macht sich grundsätzlich derjenige strafbar, der eine wirksame technische Maßnahme ohne Zustimmung des Rechtsinhabers umgeht, um dadurch Zugang zu einem urheberrechtlich geschützten Werk zu erhalten."

Das ist Unsinn, wie Sie selbst ein paar Zeilen später zugeben. Strafbar macht sich natürlich nur der nicht für den privaten Gebrauch Kopierende.

Fehler auf http://www.bsi-fuer-buerger.de/recht/12_0406.htm:

Die Branche sieht ihre Existenzgrundlage durch die steigende Zahl von Raubkopien bedroht.

Raubkopie ist ein Propaganda-Begriff der Rechteverwerter. Wenn Sie rechtswidrig angefertigte Kopien meinen, sollten Sie das einfach schreiben.

Die Platten- und Filmkonzerne müssen nämlich in Zukunft lediglich ihre Produkte mit einem Kopierschutz versehen, so dass jede Vervielfältigung, die von ihnen nicht genehmigt wird, unzulässig wird.

Da die Konzerne dazu nicht in der Lage sind, sondern bislang nur als Kopierschutz deklarierte unwirksame technische Maßnahmen einsetzen, können sie das lediglich getrost streichen – und den Rest des Satzes gleich mit.

Vielen Dank für die Wahrnehmung meines Unmuts.

Mit freundlichen Grüßen
Fabian Keil