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Demo-Beobachtung: One struggle – one fight – Kein Tag ohne Autonomes Zentrum Köln

[Foto: Demo-Beginn: Blick von Versammlung auf Kamera] Am 2013-06-07 veranstaltete das Autonome Zentrum Köln Kalk eine Demonstration um auf die drohende Räumung aufmerksam zu machen. An der Demonstration habe ich als Beobachter teilgenommen.

Aus meiner Sicht verlief die gesamte Demonstration friedlich, wurde aber trotzdem durch die Polizei mehrere Minuten lang mit einer Fahrzeug-Kamera aufgezeichnet. Auflagen zur Fotografie von Polizei-Kameras wurden zumindest mir nicht erteilt.

Früher Einsatz der Fahrzeug-Kamera

Während der Auftakt-Kundgebung und am Beginn der Demonstration war die Fahrzeug-Kamera noch abgeschwenkt, wurde aber bereits nach wenigen Minuten ohne offensichtlichen Grund oder Lautsprecher-Ansage auf die Demonstrierenden gerichtet. Auf Nachfrage begründete ein Polizist am Fahrzeug den Kamera-Einsatz damit, dass sich drei Personen vermummt hätten. Zeigen konnte er mir die Vermummten nicht und hatte sie auch nicht selbst gesehen, sondern lediglich über Funk von ihrer Anwesenheit erfahren. Auch beim Abschreiten des Demo-Zugs habe ich keine Vermummten gesehen.

Zurück am Fahrzeug angekommen erfuhr ich, dass die Personen inzwischen die Vermummung nach Rücksprache mit der Demo-Leitung bereits wieder abgenommen hätten und die Kamera daher auch nicht mehr aufzeichnen würde. Auf die Frage hin, warum die Kamera weiterhin auf die Versammlung gerichtet sei, sorgte der Polizist dafür, dass die Kamera wieder abgeschwenkt wurde.

Handkamera mit offenem Objektiv

[Foto: Polizist mit Kamera] Ein Polizist trug eine Handkamera mit offenem Objektiv an der Brust und anfangs zeigte das Objektiv in Richtung der Demonstrierenden, eine Aufzeichnung fand aber laut dem Polizisten nicht statt.

Auf die Bitte hin, den Objektiv-Schutz aufzusetzen um dies offensichtlich zu machen, wurde die Kamera auf die andere Seite gedreht, das Objektiv blieb aber offen. Im späteren Verlauf der Demonstration war das Kamera-Objektiv noch mehrfach auf die Versammlung gerichtet, der Haltung nach war es aber vermutlich keine Absicht.

Erneuter Einsatz der Fahrzeug-Kamera

Ein paar Minuten später wurde die Fahrzeug-Kamera erneut auf die Versammlung gerichtet, erneut ohne offensichtlichen Anlass oder Lautsprecher-Durchsage.

Diesmal wurde der Kamera-Einsatz damit begründet, dass eine einzelne Person eine Sturmhaube aufgesetzt hätte. Auch diese Person konnte ich nicht finden, da sie inzwischen laut Polizei die Sturmhaube schon wieder abgesetzt hatte.

Die Fahrzeug-Kamera wurde auf Nachfrage wieder abgeschwenkt und blieb soweit ich es mitbekommen habe auch für den Rest der Demonstration in der Position.

Weitere Kameras

Erst kurz vor dem Eintreffen zur Abschluss-Kundgebung am Dom ist mir aufgefallen, dass ein Polizist einen Fotoapparat trug und noch ein weiterer Polizist mit Handkamera unterwegs war.

Da ich die beiden Polizisten mit Handkameras nicht gleichzeitig gesehen habe, gab es möglicherweise auch nur eine Handkamera, die gegen Demo-Ende übergeben wurde. Soweit ich sehen konnte, setzten die beiden Polizisten die Kameras nicht ein.

Beschwerde

Die Video-Überwachung durch die Polizei Köln halte ich für rechtswidrig und habe daher eine Selbstkontrolle der Verwaltung, hier: der Polizei, hinsichtlich der Recht- und Zweckmäßigkeit der angegriffenen Amtshandlung oder des Verhaltens (Website der Polizei NRW) angestoßen:

From: Fabian Keil <fk@fabiankeil.de>
To: poststelle.koeln@polizei.nrw.de
Subject: Video-Überwachung auf 'One struggle - one fight'-Demo
Date: Tue, 16 Jul 2013 17:58:34 +0200

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 2013-07-06 habe ich als Beobachter an der vom Autonomen Zentrum Köln Kalk
veranstalteten Demonstration 'One struggle   one fight' teilgenommen.

Soweit für mich erkennbar verlief die Demonstration durchgehend friedlich,
dennoch wurde von der Polizei mindestens zweimal die mitgeführte
Fahrzeug-Kamera für mehrere Minuten auf die Demonstrierenden gerichtet
und laut Aussage mehrerer Polizisten wurden die Bilder dabei auch
aufgezeichnet.

Als Begründung wurden mir beim ersten Mal drei vermummte Personen genannt,
bei zweiten Mal eine einzelne vermummte Person. Vermummte Personen habe ich
keine gesehen, laut Polizei, weil diese nach Rücksprache mit der Demo-Leitung
die Vermummung bereits zeitnah wieder abgenommen hatten.

In einem Fall wurde mir zusätzlich gesagt, die Aufzeichnung sei bereits
eingestellt worden, in beiden Fällen blieb die Kamera aber weiterhin auf
die Versammlung gerichtet und wurde erst auf Anfrage abgeschwenkt.

Ich bezweifle nicht, dass sich unter den mehreren hundert friedlichen
Demonstrierenden kurzzeitig auch vier Vermummte aufgehalten haben könnten.
Ich bezweifle aber sehr wohl, dass die Polizei deswegen berechtigt war,
die Demonstration aufzuzeichnen und damit in die Grundrechte mehrerer
hundert Dritter inklusive mir einzugreifen (Grundrecht der informationellen
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), Versammlungsfreiheit
(Art. 8 Abs. 1 GG)).

Von ein oder auch drei unbewaffneten und friedlichen Vermummten geht wohl
kaum eine "erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung"
aus. Die Aufzeichnung und damit die Betroffenheit von Dritten war auch nicht
unvermeidbar, da die Polizei auf die Abnahme der Vermummung hinwirken
konnte.

Selbst bei fehlender Kooperation der Demo-Leitung hätte die Polizei
vor Beginn der Aufzeichnung mit einer Lautsprecher-Durchsage zur Abnahme
der Vermummung auffordern können um die Beeinträchtigung von Dritten zu
vermeiden.

Da es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12a VersG fehlte
halte ich die Video-Überwachung der Demonstration durch die Polizei
für rechtswidrig.

Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie diese Einschätzung teilen, oder ob
Sie die Überwachung für rechtmäßig halten und auch zukünftig auf
Versammlungen filmen werden, wenn einzelne friedliche Demonstrierende
kurzzeitig vermummt auftreten bzw. aufgetreten sind.

Kein Verständnis habe ich außerdem dafür, dass eine Polizei-Kamera mit
offenem Objektiv getragen wurde und mehrfach auf die Demonstrierenden
gerichtet war. Laut dem Träger zeichnete die Kamera zwar nicht auf
und war auch nicht absichtlich auf die Demonstrierenden gerichtet,
für die Demonstrierenden war dies aber nicht erkennbar.

Ich würde es begrüßen, wenn Sie zukünftig inaktive Hand-Kameras
auf Demonstrationen nicht mehr ohne Objektivschutz mitführen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Keil
Frankfurter Str. 68
51065 Köln

Das Beschwerdemanagement hat den Eingang am 2013-07-17 bestätigt, die Bearbeitung sollte bis zu vier Wochen dauern, die Antwort kam dann aber bereits nach ein paar Tagen.

[Foto: Polizei-Antwort 1 - Seite 1] [Foto: Polizei-Antwort 1 - Seite 2]

Da ich die Antwort zumindest teilweise unbefriedigend finde, habe ich nachgehakt:

From: Fabian Keil <fk@fabiankeil.de>
To: XXX <X.X@polizei.nrw.de>
Subject: Video-Überwachung auf 'One struggle - one fight'-Demo: Aktenzeichen PI 6 - 13.05.01-
Date: Sun, 28 Jul 2013 17:48:29 +0200

Sehr geehrter Herr XXX,

vielen Dank für die zeitnahe Antwort auf meine Beschwerde vom 2013-07-16
(Aktenzeichen PI 6 - 13.05.01-), Ihre Argumentation kann ich allerdings
nicht ganz nachvollziehen und bitte daher um erneute Prüfung.

Dass die friedlichen Vermummten sich strafbar gemacht haben könnten
wird von mir nicht bestritten und auch der Umstand, dass die von
Ihnen angesprochenen Ermittlungsverfahren vermutlich bereits von
der Staatsanwaltschaft ohne richterliche Prüfung eingestellt werden,
ändert daran natürlich nichts.

Aus Ihrer Antwort wird für mich aber nicht deutlich, inwiefern Ihrer
Meinung nach von friedlichen Vermummten "erhebliche Gefahren für die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung" ausgehen, was ja Voraussetzung
für die Video-Überwachung nach § 12a VersG wäre.

Ein exakt passendes Urteil dazu habe ich zwar nicht gefunden,
die mir bekannten Urteile zur Auslegung des Paragraphen bestätigen
aber meine Ansicht, dass nicht jede auf einer Versammlung begangene
Straftat die polizeiliche Video-Überwachung und damit verbunden den
Eingriff in die Grundrechte von Dritten legitimiert.

So hat z.B. das VG Berlin festgestellt, dass ein auf einer Versammlung
begangener möglicher Hausfriedensbruch durch eine Einzelperson
(Bestieg eines Ehrenmals) nicht als Rechtfertigung für eine Aufzeichnung
nach § 12a VersG ausreichen würde (Az. VG 1 K 818.09, 34).

Im Urteil Az. 6 K 2014/06 des VG Frankfurt (Oder) heißt es:
| Von den Versammlungsteilnehmern gingen keine erheblichen Gefahren
| für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung aus. Unter einer
| "erheblichen Gefahr" versteht man eine Gefahr für ein Rechtsgut
| von besonderem Gewicht (z. B. Leben und Gesundheit von Menschen).

Im Urteil Az. 1 S 3280/96 des VGH Baden-Württemberg wird als
Voraussetzung für eine Video-Überwachung nach § 12a VersG ein
mögliches Einschreiten nach § 13 VersG gefordert:
| Bild- und Tonaufnahmen dürfen von der Polizei bei oder im Zusammenhang
| mit öffentlichen Versammlungen nur gemacht werden, wenn auch die
| Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 13 VersammlG vorliegen.
| Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 12a VersammlG,
| jedoch aus einer verfassungskonformen Reduktion der Vorschrift,
| die für eine am Grundrecht der Versammlungsfreiheit orientierten
| Anwendung dessen geboten ist, wozu sie ermächtigt.

Da die Vermummung laut Polizei unverzüglich nach Rücksprache mit der
Demo-Leitung unterlassen wurde, lagen die Voraussetzungen für ein
Einschreiten nach § 13 VersG auf der Demo am 2013-07-06 meiner
Meinung nach nicht vor.

Bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie nach Lektüre der angeführten
Urteile weiterhin "keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in diesem
Zusammenhang getroffenen Maßnahmen" haben. Falls Ihnen besser passende
Urteile bekannt sind, würden mich die Aktenzeichen interessieren.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie keine Erklärungen zu zukünftigen
Versammlungen abgeben möchten und werde zukünftige Beschwerden anders
formulieren.

Vielen Dank für die Weitergabe meiner Bedenken zum sorglosen Umgang
mit laut Polizei deaktivierten Polizei-Kameras, vielen Dank auch für
die Bereitschaft, bei weiterem Gesprächsbedarf auch telefonisch zur
Verfügung zu stehen. Auf das Angebot komme ich gerne zurück.

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Keil
Frankfurter Str. 68
51065 Köln

Auch diese Mail wurde erfreulich schnell beantwortet, die Polizei hält den Kamera-Einsatz aber weiterhin für rechtmäßig:

From: XXX <X.X@polizei.nrw.de>
To: "Fabian Keil" <fk@fabiankeil.de>
Subject: AW: Video-Überwachung auf 'One struggle - one fight'-Demo: Aktenzeichen PI 6 - 13.05.01-
Date: Tue, 30 Jul 2013 15:50:38 +0200

Sehr geehrter Herr Keil,

gerne beziehe ich auch zu Ihrer Emailanfrage vom 28. Juli Stellung. Erlauben Sie mir zunächst den Hinweis, dass das Versammlungsgesetz (VersG) zwischen "öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen" und "öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel" unterscheidet und diesbezüglich auch unterschiedliche Regelungen enthält. Hinsichtlich der Versammlung vom 6. Juli 2013 sind wir sicherlich einer Meinung, dass dies eine unter freiem Himmel war.

Falls es aus meinem Schreiben vom 19. Juli 2013 nicht hinreichend klar geworden ist: Bei der Versammlung am 6. Juli 2013 wurden keine Übersichtsaufnahmen gefertigt, weder zeitlich durchgängig noch zeitweise, auch nicht von Teilen der Versammlung.

Die von Ihnen vorgebrachten Urteile sind deshalb auch nicht einschlägig:

- Das VG Berlin hat festgestellt, dass der Hausfriedensbruch eines Einzelnen nicht geeignet ist, die Bildaufzeichnung der gesamten Versammlung zu begründen. Abgesehen davon, dass dieses Beispiel gar nicht Gegenstand der verhandelten Sache war (sondern nur ein Beispiel aus der bisherigen Rechtsprechung des VG), ging es in der konkreten Sache um die durchgängige Anfertigung von Übersichtsaufnahmen der gesamten Versammlung.

- Das VG Frankfurt hat sich ebenfalls allein mit Übersichtsaufnahmen beschäftigt und außerdem die Frage, ob § 13 VersG nur eine ermächtigungsbeschränkende Wirkung auf Maßnahmen nach § 12a (Versammlung in geschlossenen Räumen) oder auch auf solche nach § 19a i.V.m. § 12a VersG (Versammlung unter freiem Himmel) hat, unbeantwortet gelassen.

- Der VGH Baden-Württemberg hat festgestellt, dass die in der dortigen Sache gefertigten Videoaufnahmen nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes BW hätten erfolgen dürfen. In dieser Sache erfolgte der Hinweis auf § 13 VersG richtigerweise, weil das Gericht über eine Versammlung in geschlossenen Räumen verhandelt hatte.

Ich nutze die Gelegenheit und bedanke mich für die einwandfreie und vollständige Anonymisierung meines Namens und meiner Erreichbarkeiten bei der Wiedergabe meines Schreibens vom 19. Juli auf Ihrer Homepage.

Mit freundlichen Grüßen

XXX

Voraussichtlich keine gerichtliche Prüfung

Die Video-Überwachung durch die Polizei halte ich nach wie vor für rechtswidrig, für eine gerichtliche Prüfung im Rahmen einer Feststellungklage war ich als Demo-Beobachter zumindest laut m(einem) Anwalt aber nicht ausreichend betroffen. Auf eine Mail an das Autonome Zentrum im Juni habe ich keine Antwort erhalten und gehe nicht davon aus, dass durch die Demo-Leitung geklagt werden wird.

Um zu erfahren, was aus den Ermittlungsverfahren gegen die vermeintlich Vermummten geworden ist, habe ich beim Polizeipräsidium Köln nach den Unterlagen gefragt.

Weitere Bilder

Die Bilder sind Links auf die Vollversionen.

[Foto: Plakat 'Gather & Resist'] [Foto: Geparkte Polizei-Autos] [Foto: Polizei-Kamera auf Dach] [Foto: Aufkleber: Kein Kalk ohne AZ] [Foto: Kamera-Wagen Demo-Beginn] [Foto: Demo-Beginn: Kamera auf Versammlung gerichtet] [Foto: Demo-Beginn: Polizei reiht sich in Demo-Zug ein] [Foto: Blick in Polizei-Kamera] [Foto: Polizei-Autos] [Foto: Demo-Aufruf] [Foto: Blick aus zweiter Reihe in Polizei-Kamera] [Foto: Polizei-Kamera auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei-Kamera auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei-Lautsprecher-Wagen] [Foto: Kamera-Wagen vor Versammlung] [Foto: Polizei-Kamera auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei vor Sparkasse] [Foto: Polizei-Kamera noch auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei-Kamera nicht mehr auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei-Wagen vor Demo-Zug] [Foto: Polizisten vor Versammlung] [Foto: Polizei-Kamera erneut auf Versammlung gerichtet] [Foto: Polizei-Kamera nicht mehr auf Versammlung gerichtet] [Foto: Jesus-Statue mit Papp-Spruchblase: 'Autonomes Zentrum finde ich gut!'] [Foto: Polizei-Autos vor Demo-Zug] [Foto: Kamera-Wagen] [Foto: Demo-Zug von Brücke aus] [Foto: Polizei-Autos hinter Demo-Zug] [Foto: Konfetti über Polizei] [Foto: konfetti über Demo-Zug] [Foto: 'Dr. Zoidberg'-Pappfigur mit Spruchblase: 'I love AZ-Köln'] [Foto: Polizist mit Kamera] [Foto: Kamera auf Dach] [Foto: Kamera auf Dach] [Foto: Polizei-Autos vor Kundgebung am Alten Rathaus] [Foto: Polizist mit Fotoapparat] [Foto: Polizisten mit Kameras] [Foto: Polizei-Kamera auf Dach]