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Die Raubkopie – Ein musikindustrielianisches Märchen

Es häufen sich Berichte über so genannte "Raubkopien", einem Propaganda-Begriff der Rechte-Verwertungs-Industrie (Film, Musik und Software). Mit der Zeit wurde er auch von merkbefreiten Journalisten übernommen und immer wieder falsch verwendet, was Diskussionen unnötig erschwert.

Die Leute die von "Raubkopien" sprechen, meinen meistens Privatkopien oder illegal erstellte Kopien. Diese Seite beschreibt die Unterschiede, der Leser sollte nach dem Lesen in der Lage sein, die Begriffe zu unterscheiden und sie nur noch im richtigen Zusammenhang zu benutzen. In der Praxis kann man den Begriff "Raubkopie" komplett aus dem aktiven Wortschatz streichen, oder ihn zumindest weit nach hinten rücken, da man ihn nie brauchen wird.

Definition Raubkopie

Der Begriff Raubkopie setzt sich offensichtlich aus den Wörtern "Raub" und "Kopie" zusammen. Jedem sollte klar sein, dass eine Kopie das ist, was bei einer Vervielfältigung als Ergebnis entsteht, die Bedeutung von "Raub" scheint jedoch nicht allen klar zu sein, sonst würde niemand das Wort "Raubkopie" so unpassend verwenden.

Raub ist ein juristischer Begriff, der in Paragraph 249 des Strafgesetzbuches erläutert wird:

Raub

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Wenn man eine Audio-CD oder einen Film besitzt, und sich – wie es das Urheberrecht eindeutig erlaubt (eventuelle Einschränkungen werden weiter unten behandelt) – nun eine Kopie erstellt, dann ist das weder eine Anwendung von Drohungen, noch gefährdet man damit Leib oder Leben von anderen. Man eignet sich nichts rechtswidrig an, und mit einer Freiheitsstrafe muss man auch nicht rechnen.

Folglich handelt es sich dabei auch nicht um einen Raub, der Begriff Raubkopie muss also etwas anderes bedeuten. Wenn sich der Begriff "Raub" nicht auf "Kopie" bezieht, wird sich wohl die "Kopie" auf den "Raub" beziehen, ansonsten wäre eine Zusammensetzung ohne Sinn. Das liest sich vielleicht etwas seltsam, daher gibt es hier ein Beispiel in Form einer kleinen Bildergeschichte, die von zart besaiteten Gemütern auch übersprungen werden kann.

Beispiel einer Raubkopie

Es spielen ein Räuber und zwei Frauen, von denen eine später selbst zum Räuber wird.

Eine Entwarnung für die Jugendschützer mit Problemen bei der Realitätserkennung: Zur Erstellung der sozial-ethisch desorientierenden Screenshots wurden keine real existierenden Personen verletzt.

Für den weniger weltfremden Teil der Leserschaft: Zur Erstellung der Bilder wurde die deutsche Version von GTA Vice City mit nachinstalliertem Physikengine-Patch benutzt.

Der Raub

[Vier Bilder, die wie folgendes darstellen:] Unschwer zu erkennen: Räuber im Hawaii-Hemd vor einem gelben Auto mit zwei Insassen.
Wegen der JPEG-Artefakte etwas schwerer zu erkennen: Sturmgewehr in der rechten Hand des Räubers.

Räuber schießt in Richtung Fahrerin.

Beifahrerin behält den Kopf und flüchtet, Fahrerin stürzt aus dem Auto.

Grün umrandet: erbeutetes Geld.
Rot umrandet: Fahrerin.

Flucht mit Wagen und Geld.

Ohne Jurist zu sein, würde ich den bebildert dargestellten Sachverhalt als Raub ansehen. Folgende Merkmale werden erfüllt:

Man könnte ihn sogar problemlos als schweren Raub interpretieren, aber da mir der Begriff Schwererraubkopie (Tipp für die Leute aus der Propaganda-Abteilung: klingt viel böser) noch nie begegnet ist, lasse ich diese Tatsache unter den Tisch fallen.

Die Raubkopie = Kopie des Raubes

Nehmen wir nun an, die im oben gezeigten Beispiel flüchtene Beifahrerin würde zu Hause über den Raub nachdenken, zu dem Schluss kommen, dass so ein Raub eine saubere Sache sei, und zufällig ebenfalls ein Gewehr im Keller haben. Sie könnte nun auf die Idee kommen, die Raubmethode nachzuahmen.

So etwas – und nur so etwas – wäre dann eine Raubkopie. Und auch wenn die Rechte-Verwerter das vielleicht nicht wahr haben wollen: Eine Raubkopie ist urheberrechtlich unproblematisch.

Wer einen Raub kopiert, wird sich – wenn er erwischt wird – für den Raub vor Gericht verantworten müssen, der Ersträuber wird jedoch keine Ansprüche geltend machen können, da das Urheberrecht nicht dazu da ist, als Einnahme-Quelle für Kriminelle zu dienen.

Definition Privatkopie

Als Privatkopie könnte man nun alle Kopien ansehen, die für den eigenen Bedarf gemacht werden. Es hat sich jedoch eingebürgert, nur die Kopien als Privatkopien zu bezeichnen, die angefertigt werden, ohne das Urheberrecht zu verletzen.

Im Internet gefundene Software, die ohne Zustimmung der Urheber kopiert wurde, ist demnach normalerweise nicht gemeint, wenn von Privatkopien die Rede ist. Statt dessen sollte man sie als rechtswidrig angefertigte oder als illegal erstellte Kopie bezeichnen. Bitte nicht die Adverbien als Adjektive benutzen und die Verben weglassen – das wäre ebenfalls falsch. Illegale Kopien gibt es nicht.

Bis zur letzten Novellierung des Urheberrechts waren CD-Kopien und DVD-Rips ohne Zweifel Privatkopien, doch ob man sie nun weiterhin als solche ansieht ist Geschmackssache, denn folgendes Urheberrechts-Zitat wird wohl jeder anders interpretieren:

§ 95a Schutz technischer Maßnahmen

(1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.

(2) Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.

Man könnte es so interpretieren, dass DVDs die CSS einsetzen, sowie gewollt kaputte CDs, nun nicht mehr kopiert werden dürfen.

Genauso gut könnte man aber argumentieren, dass gewollt kaputte CDs vielleicht das Abspielen im Autoradio oder im DVD-Player verhindern, für ordentliche Hardware jedoch noch nie ein Problem darstellten. Wirksame technische Maßnahmen stelle ich mir anders vor.

Das auf vielen DVDs eingesetzte Content Scrambling System (CSS) ist ein einfaches Verschlüsselungs- und Authentifizierungssystem, welches bereits seit 1999, also schon vier Jahre bevor das neue Urheberrecht gültig wurde, von der breiten Masse umgangen wird. Davor musste man noch etwas Ahnung von der Technik haben, seit 1999 kann jedes Scriptkind CSS "knacken". Auch hier kann ich die wirksame technische Maßnahme nicht entdecken.

Welche Interpretation die richtige ist, werden nur Gerichte klären können.

Interessant wäre es natürlich zu erfahren, welche Interpretation von der Industrie bevorzugt wird, denn solange es keinen Kläger gibt, gibt es auch keinen Richter. Voreilig könnte man annehmen, die Industrie würde eher zur ersten Interpretation tendieren, liest man jedoch im Urheberrecht weiter, dann stolpert man über diesen Ausschnitt:

§ 95d Kennzeichnungspflichten

(1) Werke und andere Schutzgegenstände, die mit technischen Maßnahmen geschützt werden, sind deutlich sichtbar mit Angaben über die Eigenschaften der technischen Maßnahmen zu kennzeichnen.

Bis jetzt habe ich noch keine DVD oder CD gesehen, bei der das der Fall wäre.

Es gibt zwar DVDs, auf denen ein Hinweis wie CSS protected vermerkt ist, es ist jedoch nicht anzunehmen, dass ein Konsument mit der Abkürzung CSS etwas anfangen kann. Selbst wenn bekannt ist, dass der zweite Buchstabe für Scrambling steht, muss das einem PISA-geschädigten Deutschen nicht unbedingt weiterhelfen. Als Angabe über die Eigenschaften der technischen Maßnahmen wird man den Hinweis also nicht ansehen können.

Ebenfalls unzureichend sind Aufkleber oder Aufdrucke wie:

Dieses Produkt ist kopiergeschützt.

Unklar ist auch hier, welcher Kopierschutz gemeint ist, CSS oder Macrovision. Wie bereits beschrieben, ist CSS lächerlich, Macrovision ist jedoch noch lächerlicher.

Macrovision soll analoge Kopien verhindern, wer digital kopiert umgeht Macrovision also nicht. Der "Schutz" von Macrovision besteht nur aus ein paar Bits auf der DVD, die den Player höflich darum bitten, das analoge Ausgangssignal mit Störimpulsen zu versehen. Neuere VHS-Player weigern sich darauf hin, das Signal zu kopieren. Wer analog kopieren will, kauft sich daher Signalreiniger, die bei der Reinigung des Signals leider auch die Störimpulse entfernen.

Bei CDs sieht die Sache ähnlich aus. Bei defekten CDs gibt es zwar häufig Aufkleber, die darauf hinweisen, dass die CD kaputt ist und möglicherweise in einigen Geräten Probleme macht. Besitzer von Qualitätshardware wissen jedoch, dass das möglicherweise bei ihren Laufwerken nicht der Fall ist.

Fazit

Wer von Raubkopien redet, aber in Wirklichkeit Kopien von Medien meint, will Privatkopien in eine nicht vorhandene Grauzone rücken, oder hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Ahnung vom Thema, und plappert nur die Propaganda der Rechte-Verwerter nach.

Solche Leute sollte man meiden, denn sie könnten auch für die nicht weniger bedenklichen Theorien von Osama Bin Laden empfänglich sein, und sind daher potenziell gefährlich.

Solange es keine Urteile gibt, bleibt es jedem selbst überlassen, das Urheberrecht nach eigenem Befinden zu interpretieren. Weiterhin ist es am einfachsten, kaputte CDs im Laden zu lassen, oder eine funktionierende Version im Ausland zu kaufen. Reparaturkopien kann man sich dann sparen, und die Musikindustrie kann den mahnenden Zeigefinger für andere Dinge nutzen. Zum Beispiel um in der Nase zu bohren, während sie darüber nachdenkt, ob Umsatzeinbrüche nicht auch andere Gründe als Privatkopien haben könnten, und ob kaputte CDs wirklich das sind, was die Kunden wollen.

CSS-"geschützte" DVDs waren schon immer standardkonform, daher ist es kein Grund sie zu boykottieren. Wer sie als Vorlage für eine Privatkopie nutzen möchte, sollte vorher bei der Industrie nachfragen, ob der Einsatz von CSS als Schutz gedacht war, und wo der vorgeschriebene Hinweis darauf ist, der ja möglicherweise nur übersehen wurde.